Kunstgeschichte
Der junge Staat Kroatien hatte nie Gelegenheit einen eigenen Kunststil zu entwickeln, sondern adaptierte und variierte die Handschrift seiner Besatzer. So findet man heute in Kroatien eine einzigartige Mischung Osmanischer, Venezianischer und k.u.k.-Kultur, die gerade in Architektur und Ikonostasen noch allgegenwärtig ist. Da die jeweiligen Besatzungsmächte gerade auf dem Höhepunkt ihrer Macht auch Kroatien okkupierten, waren sie immer vermögend genug, viel in Repräsentanz und Kunst zu investieren - was für die Kroaten von Vorteil war und für die Nachbarmächte ein Anreiz, den kleinen Adriastaat ebenfalls in Besitz nehmen zu wollen - worauf wieder neue Einflüsse ihren Weg in die Kroatische Kunst fanden. So ist die Kunst- und Kulturgeschichte vielseitiger, interessanter und reicher als die vieler anderer Länder, nur eben nicht so isoliert und autonom.
Frühzeit und Antike
Die ältesten in Kroatien entstandenen Kunstwerke findet man heute in Landeshistorischen Museen: Gefäße und Schmuck aus der Nähe von Zadar und
Sibenik, Arbeitsgerät von den Inseln
Brac,
Vis und
Hvar gehen auf Handwerker aus der Steinzeit zurück. Ausgegrabene Bronzewaren und beispielsweise das Kairos-Relief von
Trogir werden auf die Zeit der Griechen und Römer datiert, die den ehemals nomadischen Stämmen Dalmatiens neben Aquädukten, Thermen und Handelsgütern auch besondre Finessen der Metallverarbeitung und Bildhauerei nahe brachten. Die Architektur der Neueinwanderer ist heute nur noch ruinös erhalten: Gerade auf dem Land kann man hier und da noch die Grundmauern römischer Landhäuser sehen. Paläste im antiken Stil wiederum wurden von Einheimischen erbaut, die lange Zeit in Rom gelebt und sich an Prunk und Pomp gewöhnt hatten. Der
Diokletian-Palast ist hier wohl das eindrücklichste Beispiel. Nutzbauten waren von einem gewissen Pragmatismus geprägt: Während auf dem Balkan die Christianisierung voranschritt, handelten die reicheren Familien vor allem in Rom. Sie, und nur sie waren in der finanziellen Lage, neue Gotteshäuser zu errichten und orientierten sich dafür an den praktischen Markthallen, die sie aus Italien kannten. Schließlich brauchten Sie vor allem einen Ort für Zusammenkünfte und weniger ein schmuckvoll ausstaffiertes Ziergebäude. So entstand, was wir heute als Basilika kennen. Als dann die Verwaltung der Dalmatischen Provinz von Rom nach Byzanz verlegt wurde, entdeckten die Kroaten die Schönheit der Kuppelbauten und geometrischen Ornamentik. So zeugen die heute noch erhaltenen Kirchen davon, dass diese Region nicht nur wirtschaftlich die Schnittstelle zwischen Ost und West war.
Romanik
Romanische Gebäude aus dem 11. bis 13. Jahrhundert, von denen tatsächlich noch einige vor allem in den Großstädten erhalten sind, erkennen Sie an den Zwillings- oder Drillingsfenstern, den regelmäßig angeordneten, groben Steinplatten, und den glatt geschliffenen Rahmen. Für den Bau wurde gerne der kroatische Marmor verwendet, der auch ein beliebtes Exportgut war - und so sehen die Villen in Italien eigentlich so aus, wie die kroatischen, auch wenn es vom Mitteleuropäischen Standpunkt genau andersrum wirkt! Erst gegen Ende der Romanik, auf der Schwelle zur Gotik fand Kroatien seinen herausragenden Künstler der Zeit: Der Meister Radovan kreierte das berühmte
Domportal in Trogir und setzte sich durch Kreativität und Kunstfertigkeit angenehm von seinen Lehrern und Vorgängern ab.
Gotik
Das heutige Stadtbild der meisten Städte wurde im 14. und 15. Jahrhundert von Gotischen Baumeistern festgelegt. Während früher jeder bauen konnte, wo und wie er wollte, musste nun jede Fassade, jeder Balkon, jede Etage genau durchdacht und erst genehmigt werden. Im Nachhinein wissen Besucher und Bewohner diese Bürokratie zu schätzen. Des weiteren stammen auch die meisten Wehranlagen aus dem gotischen Zeitalter, da man sich nun gegen die Truppen aus der Türkei verteidigen musste. Nebenbei hatten aber die Künstler zum Glück noch genug Gelegenheit ein paar wirklich sehenswerte Werke zu schaffen: Sei es der vergoldete Sarkophag in Zadar, die Altartafeln in
Trogir oder die Handschriftensammlung in
Split.
Renaissance
Die Renaissance war in Kroatien und vor allem in
Dubrovnik die Zeit der Sommerhäuser. Fast jede Familie, die etwas auf sich hielt - und wollte, dass dies auch die Nachbarn tun - baute sich einen Zweitwohnsitz an der Küste. Dabei versuchte man weniger den repräsentativen venezianischen Stil nachzuahmen, als eine eigene "Form follows Funktion"-Architektur zu entwickeln. Doch was öffentliche Gebäude wie Kirchen, Kathedralen und etwa den Rektorenpalast von
Ragusa anging, legte man wieder mehr Wert auf schmückende Kapitelle, harmonische Loggien und Außenwirkung im Allgemeinen. Wer sich nicht an der Serenissima orientierte, wandte den Blick in die entgegen gesetzte Richtung und studierte die endlosen, ineinander verwobenen, Dekor-Bänder des Osmanischen Reichs, die Kuppeldecken und die fast Säulenfreien Räume. So sehr man sich in Kroatien gegen die Herrschaft der Türken wehrte, so sehr ließ man sich von ihrem Baustil inspirieren. Auch in der Malerei erlebte Kroatien während der Renaissance eine neue Blüte: Italienische Meister wie Tintoretto und Tizian kamen nach
Dalmatien um sich hier mit lokalen Größen wie Medulic und Klovic auszutauschen.
Barock
Kirchen, Klöster und Schulgebäude schossen zur Zeit der Österreichischen Herrschaft so zahlreich aus dem Boden, dass das Land Kroatien finanziell nicht in der Lage ist, all diese Kulturgüter gebührend instand zu halten. Nur die schönsten und wichtigsten Gebäude mit ihren typischen geschwungenen Linien, der verspielten Fassade und dem deutsch-österreichisch inspirierten Stil sind heute noch gut erhalten. Sie finden sich vor allem im Landesinneren, da die Küstenregion im 17. Jahrhundert gerade über ihren wirtschaftlichen Zenit glitt, während die ländlichen Gegenden vom Abzug des Osmanischen Heer profitierte.
Moderne
Die praktischen Hotelanlagen und Wohnungskomplexe, die nach dem zweiten Weltkrieg und mit dem Aufkommen des Tourismus schnell aus der Erde gestampft werden, sind eher funktional als hübsch. "Souveräner, konsequenter Bauhaus" wäre eine euphemistische Umschreibung. Aber zum Glück gibt es ihrer nicht allzu viele, und das Auge hat reichlich Gelegenheit, ältere, kunstvollere Bauwerke zu betrachten. Eins der schöneren, sehenswerten Gebäude des 20. Jahrhunderts ist zweifellos die Villa des Malers und Bildhauers
Mestrovic, die mittlerweile zu einem Museum umfunktioniert wurde. Der geniale und kritische Künstler hatte sie nach eigenen Plänen umbauen und im Garten einen Skulpturengarten unterbringen lassen. In ihr können sie das Schaffen Mestrovics über die Jahrzehnte und seine Kommentare zur Kroatischen Geschichte, Politik und Zukunft mitverfolgen.